Unsere Forschung im Fachgebiet upp
Das Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und Prozesse (upp) der Universität Kassel arbeitet seit dem Jahr 2002 auf dem Gebiet der Energie- und Ressourceneffizienz, der dezentralen und erneuerbaren Energien sowie der Nutzung von Energiebedarfsdaten in verschiedenen Forschungs- und Industrieprojekten.
Die Forschung des Fachgebiets ist interdisziplinär mit einer ganzheitlichen und globalen Betrachtungsweise von Produktionsgebäuden, Produkten und Prozessen über ihren gesamten Lebenszyklus ausgerichtet. Dabei wird der technologische Fortschritt nicht allein nur am wirtschaftlichen Nutzen ausgerichtet, sondern gleichrangig soziale und umweltliche Werte im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung berücksichtigt. Die Forschungsaktivitäten gliedern sich in folgende 4 Themenfelder:
Die steigenden Energie- und Rohstoffkosten und die sich verändernden klimatischen Randbedingungen erfordern insbesondere für energieintensive und emissionslastige Produktionsprozesse und Unternehmen einen erheblichen Anpassungsbedarf. Dies gilt aufgrund der zunehmenden Anzahl von Extremwetterlagen im gleichen Maße für Unternehmen, die Präzisionsprodukte unter definierten Raumklimabedingungen herstellen müssen.
Folgende Probleme und Aufgaben kommen z.B. auf die Unternehmen zu:
- Steigende und schwer prognostizierbare Energiekosten (und damit Druck zu deutlicher Energieeinsparung)
- Limitierung bzw. Verteuerung von Treibhausgasemissionen durch den Emissionshandel
- Erhöhter Kühlbedarf durch steigende Umgebungstemperaturen und vermehrte Heißwetterperioden
- Umstellung auf eine hybride Energieversorgung als Mischung von dezentraler und netzgebundener Energie
- Kontinuierliche Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien
- Digitalisierte Verknüpfung von Informationen und Daten aus Produktion, Logistik, Qualität, Energie und Kosten im Sinne von Industrie 4.0
Diese Anforderungen lassen sich nicht durch Einzelbetrachtungen und –maßnahmen bewältigen. Vielmehr ist eine systemische Vorgehensweise notwendig. Zu diesem Zweck werden am upp die Simulationsmodelle von Maschinen und Anlagen, deren logistische Verknüpfung und dem thermischen Verhalten des Fabrikgebäudes mit kontinuierlich erhobenen Verbrauchsdaten aus Monitoringsystemen gekoppelt. Erst durch diesen Ansatz ist eine vorausschauende Optimierung der Planung und Steuerung von Fabriken im Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens und Industrie 4.0 möglich.
Grundlage aller energiebezogenen Maßnahmen bilden erhobene Energiekennzahlen und ein umfängliches Energiemanagement, wie es nicht zuletzt durch die DIN ISO 50001 und 50006 gefordert ist. Ebenso wie die Erfassung wesentlicher Energieströme gehört dazu die Aufnahme von Materialflüssen, Produktionsdaten und klimatischen Einflussfaktoren, was die Kopplung von Energiemonitoring und Produktionsleitsystemen erfordert.
Kontinuierlich erhobene Energiedaten bieten neben den für Abrechnungszwecke verwendeten Informationen noch viele weitere Möglichkeiten zum Erkenntnisgewinn. Mithilfe geeigneter Verfahren wie z.B. Mustererkennung können Energiedaten analysiert und Nutzern in unterschiedlichen Aufgabenbereichen zugänglich gemacht machen.
Das upp erforscht hierzu Algorithmen, durch die eine Kennzahlenbildung automatisiert erfolgt. Durch virtuelle Messstellen und die Kombination von Energiemonitoring und Simulation kann hierbei der Messmittelaufwand deutlich reduziert werden. Auf Basis der Kennzahlen lassen sich nachfolgend Prozesse, Anlagen, Linien und Werke miteinander vergleichen, um so Einsparpotenziale automatisiert zu ermitteln. Des Weiteren bildet das Energiemonitoring die Grundlage für energetisch optimierte Fahrweisen einzelner Komponenten oder gesamter Linien.
Für projektbezogene, temporäre Messungen unterhält das Fachgebiet eine umfangreiche Messmittelausstattung für unterschiedliche Energieträger wie Strom, Wärme, Kälte, Druckluft und Dampf.
Der Ausbau von erneuerbaren Energien ist eine tragende Säule der Energiewende und stellt die Netzbetreiber und produzierende Unternehmen vor neue Herausforderungen, da hierbei der hohe Energiebedarf, die Vielfalt an Energiemedien, die Volatilität und die hohen Anforderungen an die Versorgungssicherheit berücksichtigt werden müssen.
Die verschiedenen erneuerbaren Energieformen sind beim dezentralen Einsatz in der Industrie entsprechend anzupassen. Besonders die Kraft-Wärme-Kopplung bzw. Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung spielen im industriellen Einsatz eine besondere Rolle. Hier gilt es durch intelligente Anpassung an den Energiebedarf eine möglichst hohe Brennstoffeffizienz zu erreichen. Das Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und Prozesse entwickelt Konzepte und Steuerungssysteme für diese effiziente und dezentrale Energiebereitstellung.
Neben der dezentralen Energieversorgung basiert auch die regionale, nationale und globale Energieversorgung zunehmend auf volatilen erneuerbaren Energieformen. Lastmanagementmaßnahmen, insbesondere durch Sektorenkopplung in Industrie und Gewerbe, bieten Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Energienachfrage und passen somit diese der volatilen Verfügbarkeit erneuerbarer Energien an.
Maßnahmen zur dezentralen Energieversorgung und Lastmanagement gehen oft Hand in Hand und ergänzen sich. Am Fachgebiet upp werden daher dezentrale Energieversorgungskonzepte entwickelt und mittels Simulation und Test an Versuchsständen evaluiert. Ergänzend wird mittels Simulation und unter Berücksichtigung der entwickelten Energiekonzepte das Lastmanagementpotenzial in Industrie und Gewerbe bestimmt.
Auch im Bereich von Gewerbe, Handel und Dienstleistungen ergeben sich durch die veränderte Versorgungsstruktur und eine automatisierte Erfassung von Verbräuchen erhöhte Anforderungen aber auch Chancen für neue Geschäftsmodelle. Insbesondere die Energieversorger suchen in diesem Marktsegment nach neuen Möglichkeiten, um bestehende Kunden mit attraktiven Angeboten zu halten bzw. neue zu gewinnen.
Zur Unterstützung dieser Entwicklung überträgt das upp seine Erfahrungen, Kenntnisse und Methoden aus der produzierenden Industrie seit 2014 auf dieses Marktsegment. Der Fokus der Forschungsarbeit liegt auf der Weiterentwicklung von Energiemonitoringsystemen, der Kombination von Energiemonitoring und Simulation und der Entwicklung datenbasierender Geschäftsmodelle als Grundlage zukünftiger Energiedienstleistungen. Ein methodischer Schwerpunkt ist hierfür die Auswertung, Bewertung und Charakterisierung von Verbrauchsdaten über automatisierte Verfahren des Machine Learning und Pattern Recognition. Beispiele hierfür sind die Nutzung von Verbrauchsmustern für Strom- und Wasserbedarfe in der Betreuung von älteren Menschen oder auch das Benchmarking von Fastfoodketten, Supermärkten, Baumärkten und Bäckerbetrieben.
Die fortschreitende Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten, um durch die Analyse von Energiedaten Potentiale über das reine Einsparen von Energie hinaus schöpfen zu können. So können Verbrauchsdaten in Haushalten erfasst werden und aus diesen Informationen individuelle tägliche Verhaltensprofile für die jeweilige Wohnung abgeleitet werden. Durch die Analyse dieser Profile und insbesondere Abweichungen in den Profilen können Menschen auch im hohen Alter unterstützet werden, indem Informationen zu akuten Gefahren, diagnoseunterstützende Verhaltensanalysen sowie Energieverbrauchsanalysen bereitgestellt werden. Diese Forschungsthemen werden in dem Gründungsprojekt Veli umgesetzt.